Für ein liebevolles Miteinander

Die Yamas, wie sie im Yoga gelehrt werden, legen nahe, wie wichtig ein guter Umgang mit anderen ist um tiefes Glück zu erfahren. Wie das funktioniert? Mit viel Achtsamkeit und Mitgefühl – und das ist so aktuell wie nie. 

Schon immer strebte der Mensch nach Glück – einem Gefühl tiefer Zufriedenheit und Erfüllung. Es gibt viele Philosophien und Überzeugungen, die dieses Ziel verfolgen. Yoga ist eine davon. Übersetzt bedeutet Yoga so viel wie „verbinden“ – Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen, um Glückseligkeit zu erlangen. Wie man das erreicht erklärt Patanjali im Yoga Sutra, was so viel wie „Leitfaden“ bedeutet - quasi eine Anleitung zum Glücklichsein. Diesen Weg beschreibt er als achtgliedrigen Pfad, an dessen Ende die tiefe Erfüllung steht. 


Die Yamas: Der Umgang mit anderen 

Die sogenannten Yamas bilden den ersten Teil davon. Dabei geht es um den Umgang mit der Umwelt, den Mitmenschen, der Natur und allen anderen Lebewesen. Oft sind wir uns dem nicht bewusst – aber wie so oft geht es genau darum. Das Bewusstsein dafür zu schaffen. Wie begegne ich meinen Mitmenschen und meinem Umfeld? Was für ein Miteinander wünsche ich mir? Was trage ich zu diesem Miteinander bei? Und wie kann ich das verinnerlichen. 

Die Yamas zu verinnerlichen ist ein Prozess, der sich langsam entwickelt. Am Anfang steht das Bewusstsein und die Reflexion. Je feinfühliger und sensibler du wirst, umso mehr werden diese Grundregeln ein Teil von dir. Bis du gar nicht mehr darüber nachdenken musst. Egal wie lange du dich mit den Yamas beschäftigst, es wird immer Momente geben, in denen du merkst, dass dir die Umsetzung schwer fällt. Nimm dir den Stress. Niemand ist perfekt. Solange du darüber nachdenkst und dir dem bewusst wirst, bist du auf dem richtigen Weg. 

Die Yamas im alltäglichen Leben 

Die Yamas sind immer präsent. In einer sozialen Gesellschaft ist der Umgang mit anderen Menschen aber auch der Umgang mit der Natur und den Ressourcen, die zur Verfügung stehen, fester Bestandteil des täglichen Lebens. Ein Miteinander, zu dem jeder von uns gehört. Sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein und diese zu übernehmen, ist essentiell. Als Teil der Gemeinschaft kann sich dem niemand entziehen. Jeder ist wichtig und trägt etwas dazu bei, die Werte und Normen aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Die Yamas können helfen sich diesen bewusst zu werden, sie aktiv zu praktizieren, Vorbild zu sein und mit viel Achtsamkeit und Feinfühligkeit für ein gutes und verständnisvolles Miteinander einzustehen. 

1. Ahimsa: Gewaltlosigkeit

Ahimsa ist das erste der fünf Yamas und bedeutet soviel wie Gewaltlosigkeit. Dabei bezieht sich das nicht nur auf physische Gewalt, sondern schließt auch das Denken und die Gefühle zu anderen mit ein. Die allgegenwärtige Frage ist dabei: Wann fängt Gewalt an? Wann füge ich jemandem Gewalt zu? Diese Gewalt muss für den anderen nicht einmal spürbar sein. Schon Vorurteile und falsche Unterstellungen sind eine Art jemandem Unrecht zu tun und somit in gewisser Weise Gewalt zuzufügen. Gewaltlosigkeit bedeutet im Umkehrschluss liebevolles Handeln, liebevolle Gedanken und liebevolle Gefühle zueinander. Unterstelle deinen Mitmenschen immer erst einmal Gutes. Es gibt unendlich viele Gründe warum jemand so handelt, wie er es tut. Verständnis und Einfühlungsvermögen helfen Ahimsa zu praktizieren. 

Ahimsa im Alltag: Hilf anderen und sei aufmerksam. Beobachte dich, wie du über andere denkst. Mach dir Gedanken über die Ressourcen und das, was du konsumierst. Ärgere dich nicht über andere, sondern frage dich lieber, ob es nicht bedeutende Gründe gibt, die dahinter stecken. 

2. Satya: Wahrheit, Wahrhaftigkeit

Ehrlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit. Satya ist das zweite der Yamas und ruft dazu auf Ehrlichkeit zu praktizieren. Was sich leicht anhört, ist unglaublich komplex und vielseitig. Auch dieses Yama bezieht sich nicht nur auf dein Handeln, sondern eben auch auf das, was in dir vor sich geht. Das was du denkst und fühlst spiegelt sich in deinen Worten und deinen Taten. So begegnest du nicht nur anderen aufrichtig und ehrlich, sondern auch dir selbst. Du siehst, wie sich die Yamas schon hier verstricken. Denn liebevolles Handeln funktioniert nur, wenn du nicht nur nett zu jemandem bist, sondern es dem entspricht, wie du über jemanden denkst. Die schwierigste Frage ist dabei: Wann bin ich ehrlich? Ist das, was ich tue, wirklich das, was ich fühle? Die eigene Intuition kann dabei eine große Stütze sein – vorausgesetzt sie wird nicht durch andere Einflüsse getrübt. Aber auch diese wird besser werden, wenn du regelmäßig reflektierst und Yoga praktizierst. 

Satya im Alltag: Sei aufrichtig. Lüge nicht. Sei dir selbst gegenüber ehrlich und verurteile dich nicht für Gedanken, die du hast. Dann wird es auch leichter werden, in Taten umzusetzen. 

3. Asteya: Nicht stehlen 

Du hast noch nie was gestohlen? Vielleicht nicht in dem Sinne, in dem die meisten „Nicht stehlen“ verstehen. Hier geht es viel mehr darum sich mit dem ständigen Drang etwas haben zu wollen auseinandersetzen, vor allem, wenn es uns nicht gehört. Dazu gehören nicht nur materielle Dinge, sondern auch Ideen, Gedanken und Meinungen. Ein ständiges Begehren oder Verlangen weist auf ein Gefühl des Mangels hin. Es fehlt etwas. Es ist einfach nicht genug. Es wird immer nach noch mehr und noch mehr verlangt, weil selbst neuer Besitz, mehr Erfolg, Geld oder Anerkennung nicht ausreicht. Immerhin wird es wahrscheinlich immer jemanden geben, der mehr besitzt oder besser ist. Viel besser würde es sich aber doch anfühlen anderen zuzustimmen, Anerkennung zu zeigen und wahrzunehmen, dass das, was man hat doch genug ist. Unterstützt euch und bestärkt euch gegenseitig. 

Asteya im Alltag: Lenke den Blick auf, das was du hast. Ein kurzes Innehalten und danke sagen. Du wirst sehen, dass dir plötzlich gar nicht mehr so viel fehlt. Außerdem ist es ist ein schönes Gefühl auszusprechen, was man an jemand anderen schätzt, sich Komplimente macht und sich für den anderen freut. 

4. Brahmacharya: Maßvolles Handeln 

Oft bezieht sich Brahmacharya nur auf die Sexualität. Dahinter steckt jedoch viel mehr. „Charya“ bedeutet übersetzt soviel wie Lebensweise oder Verhalten. Ein Verhalten, das zufrieden und glückliche macht – unabhängig von Konsum und Besitz. Brahmacharya sieht den Schlüssel dabei im maßvollen Umgang mit der eigenen Energie. Und damit trifft es genau ins Schwarze. Man brennt aus, weil mit der eigenen Energie nicht mehr gehaushaltet wird. Stattdessen verschwenden wir sie, in dem wir lieber die Erwartungen andere erfüllen, statt die eigenen Bedüfrnisse wahrzunehmen oder uns mit Dingen befassen, die wir weder mögen noch verstehen. Die Folge: „Burn-out“ – wir brennen aus. Das Gleiche passiert auch mit der Umwelt, wenn wir im Übermaß das konsumieren, was nur beschränkt da ist. Bei der Vielzahl an Angeboten, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind, merken wir das nicht einmal. Gesteuert von Lüsten und Gelüsten verlieren wir den Zugang zum maßvollen Verhalten. Statt Glück zu finden, werden unsere Sinne durch eine kurze Welle der Lustbefriedigung stimuliert, die jedoch niemals zum erliegen kommt. Schluss mit der Energieverschwendung. Mit mehr Fokus und Bewusstsein soll dem entgegengewirkt werden, in dem du Ressourcen, Zeit und Energie bewusst wählst, sie schützt und mit ihnen haushaltest. 

Brahmacharya im Alltag: Kannst du die Strecke zum Supermarkt heute nicht laufen? Kannst du die Plastiktüte vermeiden, in dem du eine eigene Tasche mitbringst? Brauchst du den Kuchen oder das neue T-Shirt wirklich? All das sind Dinge, wie du Energie einsparen kannst. Finde für dich die richtige Stelle, es gibt unzählige Möglichkeiten. 

5. Aparigraha: Nicht Horten 

Leere Supermarktregale. Aus Angst, nicht genug zu haben. Gierig zuzugreifen, ohne daran zu denken, ob es für alle reicht. Aparigraha lehrt uns nicht zu horten – etwas, was den meisten Menschen unglaublich schwer fällt. Wir sammeln immer mehr und mehr, was soweit gehen kann, dass wir nur noch uns aber nicht mehr unser Umfeld wahrnehmen. Meist aus Angst, dass das, was wir haben nicht reicht. Was brauchen wir wirklich? Viel ist das nicht. Oder anders gesagt: Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass wir von dem, was wir haben nicht Leben können. Sich von Altlasten zu verabschieden, kann sogar unglaublich befreiend sein. Das funktioniert mit dem Kleiderschrank genauso gut wie mit dem Kopf. Wer ausmistet finden nicht nur Dinge, die dort schon lange begraben waren. Plötzlich hat alles andere mehr Platz, man sieht besser, was man hat und verschwendet weniger Zeit mit stundenlangem Grübeln, was man heute so anziehen könnte. Im Kopf ist das Ausmisten meist komplizierter – aber mindestens genauso befreiend. Mit vollen Händen und einem vollgepackt Rucksack ist das Gehen echt anstrengend. So anstrengend, dass du am liebsten stehen bleiben würdest. Das Leben hat aber noch so viel mehr zu bieten und steckt voller Überraschungen. Wer stehen bleibt, wird davon jedoch wenig zu sehen bekommen. Sind die Hände frei und der Rucksack leerer, läuft es sich hingegen viel leichter. Wir können uns auf das Leben einlassen und uns treiben lassen. Ganz egal wo uns der Weg hinführt. Wir sind bereit dafür – bereits das Leben zu erleben. Und den Weg auch mit anderen zu teilen. Immerhin ist es schön manche Strecken gemeinsam zu laufen und Erfahrungen zu teilen.

Aparigraha im Alltag: Was brauchst du wirklich? Hast du dir diese Frage schon mal ehrlich gestellt? Wir haben hier definitiv genug. Und das sollten wir uns immer wieder bewusst machen.


Was du von den Yamas lernen kannst

Die Yamas beziehen sich vor allem auf den Umgang miteinander. Die Grundregel lautet dabei: Behandle den anderen so, wie du auch behandelt werden möchtest. Dann machst du das meiste richtig. Es sind Kleinigkeiten, die jedoch große Unterschiede machen. Du wirst sehen, wie du Stück für Stück sensibler und feinfühliger wirst und dir der Ausmaß der Yamas ganz allmählich bewusst wird. 


Ich stelle mir die fünf Yamas wie Teile eine Sternes vor. Jedes Yama ist eine Ecke. Erst wenn wir alle verinnerlichen, kann der Stern leuchten. Und je mehr sie Teil des eigenen Handelns werden, umso heller leuchtet der Stern. Stell dir vor, wenn Millionen Sternen in der dunkelsten Nacht anfangen zu leichten. Dann wird es plötzlich so hell, dass es keinen Grund gibt Angst zu haben. Und das macht doch Hoffnung.